Fr, 27. März 2020
BRI zur Forderung der Schließung der Erstaufnahme für Geflüchtete
Auf WeAct – der Petitionsplattform von Campact – läuft derzeit eine Kampagne, die die Schließung der Erstaufnahmestelle für Geflüchtet in der Lindenstraße in Vegesack fordert. Hier geht’s zur Petition
Der Bremer Rat für Integration, der sich kontinuierlich mit der Situation
geflüchteter Menschen in Bremen beschäftigt und die Erstaufnahmeeinrichtung
(EAE) in Bremen Nord gerade erst besichtigt hat, um sich ein eigenes Bild von
der dortigen Situation zu machen, sieht diese Forderung sehr kritisch.
Wir möchten betonen, dass wir die Arbeit und das Engagement all jener
schätzen, die zurzeit unter sehr schweren Bedingungen ihrer Tätigkeit in den
verschiedenen Heimen, in der EAE und in der Zentralen Aufnahmestelle (ZASt)
nachgehen. Sie leisten, genauso wie die Mitarbeiter*Innen in verschiedenen
Altenheimen oder in den Einrichtungen für behinderte Menschen, einen Beitrag
von unschätzbarem Wert für unsere Gesellschaft.
Der Bremer Rat für Integration schließt sich in der Diskussion um die
Schließung der EAE der Argumentation der Stellungnahme der
Willkommensinitiative Vegesack an, deren Mitglieder seit Jahren die
Geflüchteten vor Ort ehrenamtlich unterstützen:
Stellungnahme der Willkommensinitiative Vegesack
zur Petition „Schließt Massenunterkunft Lindenstraße“ auf der Plattform WeAct
Grundsätzlich halten auch wir eine erzwungene Unterbringung von mehreren
hundert Personen in einem Gebäudekomplex für problematisch. In der aktuellen
Situation der Gefährdung durch das Corona-Virus erhöht sie zusätzlich die
gesundheitliche Bedrohung.
Trotzdem geht, nach Abwägung verschiedener Argumente, eine Petition, die jetzt
eine Schließung der Landesaufnahmestation in der Lindenstraße fordert, in die
falsche Richtung.
Abgesehen davon, dass eine Schließung der Erstaufnahme derzeit rechtlich nicht
möglich sein dürfte: Sie würde die Probleme, die Corona aufwirft, nicht
lösen, sondern eher verschärfen. Nach unseren Informationen arbeiten die
Leitungskräfte, mit denen wir gut zusammenarbeiten, nach Kräften gegen das
Infektionsrisiko. Schon in diesem Punkt ist die Tonlage der Petition nicht fair.
Verlegungen in Übergangswohnheime mit offenen Plätzen werden, soweit rechtlich
und organisatorisch möglich, vorgenommen. Der Spielraum dafür sollte
allerdings unbedingt weitestgehend ausgeschöpft werden!
Zu prüfen ist ferner, ob eine 14tägige Quarantäne für Neuzugänge besser
außerhalb der Einrichtung durchgeführt werden kann und sollte.
Eine Verlegung in Hotels halten wir für problematisch, denn die Einhaltung der
Hygiene wäre dort noch weniger gewährleistet. Das Gesundheitsamt, von Anfang
an im Haus und jetzt mit Tests präsent, wäre nicht erreichbar, und Übersetzer
stünden nur sporadisch zur Verfügung. Wie sollte dort die Verpflegung
gesichert werden? Die Betreffenden wären von der Beratung, die in der
Lindenstraße exzellent zur Verfügung steht, und von den zuständigen Behörden
abgeschnitten. Um sie zu erreichen, müssten sie zusätzlich die Stadtbusse
füllen. Ihre Lebensqualität in kleinen Hotelzimmern wäre deutlich schlechter
als die vergleichbarer Familien in ihren Wohnungen. Zudem wären die hohen
zusätzlichen Kosten nicht im Haushalt abgesichert, das Sozialressort würde in
einer rechtlichen Grauzone operieren.
Die Petition arbeitet darüber hinaus mit Vorwürfen bezüglich gewalttätiger
Übergriffe seitens der Security. Diese sind nach unserer Kenntnis ausgeräumt.
Die Vorfälle geschahen, falls nicht neue hinzugekommen sind, vor mehr als einem
Jahr und haben zu Konsequenzen geführt.
Die Petition weist auch auf bauliche Unzulänglichkeiten des Hauses hin. Daran
wird nach unseren Informationen gearbeitet. Wir unterstützen jedoch die
Forderung, dass diese Arbeiten gerade jetzt so rasch wie möglich abgeschlossen
werden müssen.
Störend an der Petition ist außerdem der inflationäre Gebrauch des Begriffs
„Rassismus“. Diese Unterstellung ist ungerecht gegenüber der Leitung und
dem Sozialressort. Sie verwässert den Begriff und schwächt ihn damit im
politischen Kampf. Unangemessen ist auch der Begriff “Lager”. Er
erinnert – bewusst? – an die Verwendung dieses Begriffs im Faschismus und
verharmlost dadurch das, was Konzentrationslager wirklich gewesen sind.
Aus all diesen Gründen können wir uns der Petition nicht anschließen
und halten sie in der aktuellen Situation für irreführend.